Gedanken zu Weihnachten

Dieses Jahr ist das erste Weihnachten, das ich hier in Oberbayern ganz alleine verbringe. Als ich vor über 20 Jahren nach Stuttgart gezogen war, hatte ich noch eine Familie in Villingen im Schwarzwald zu der ich zurück gekehrt war. Im laufe der Zeit wurde die „Schwule Gemeinschaft“ in Stuttgart dann das wo ich mich zu Weihnachten geborgen fühlte.

Es hat sich viel verändert: Der letzte Halt der Familie, meine Mami, starb im Herbst 2014, ich fast gleichzeitig einen neuen Job in Oberbayern angenommen.

Letztes Weihnachten hatte ich noch meine Wohnung in Stuttgart! Dieses Jahr bin ich das erste mal alleine in Germering!

Ich will jetzt nicht sagen, es sei schwer, und ich sei der ganz arme und bemitleidenswert! Es wäre gelogen! Es geht mir hier persönlich und im Arbeitsleben so gut wie schon sehr lange nicht mehr!

Ein bisschen Angst vor der Zukunft habe ich dann schon. Meinen richtig tollen Job wird es in dieser Form nicht mehr lange geben – Die relativ kleine Firma für die ich arbeite, wurde von einem Weltkonzern übernommen. Klar gönne ich dem bisherigen Eigentümer der Firma, dass er bei den voraussichtlichen Risiken am IT-Markt vermutlich den richtigen Zeitpunkt gewählt hat, die Firma zu verkaufen, aber für mich bedeutet das eben, dass ich jetzt nicht mehr der IT-Admin einer überschaubaren Umgebung bin, sondern ein kleines Rat in einem verdammt großen Konzern.

O.k. ich könnte jetzt offiziell in der Firma erzählen, dass ich Schwul bin, weil ich den Schutz der HR-Abteilung genießen würde, aber ist das wirklich ein erstrebenswertes Ziel?

Mein Chef (also der ehemalige Inhaber) hat bei einem Ratsch in der Abteilung durch eine unglückliche Formulierung erzählt, dass er davon ausgeht, dass ich keine „Partnerin“ habe, sondern höchstens einen Partner, und es ist wohl außer mir keinem Anwesenden aufgefallen!

Genau genommen, weis ich nicht, wie viele Kollegen davon ausgehen, dass ich schwul bin, erzählt habe ich es niemandem – ich weis aber, dass sie mich wegen meiner Arbeit und meines Könnens und wegen meiner Umgangsformen ihnen gegenüber respektieren und schätzen!

Von dem her, ich habe meine politischen Aktivitäten eingestellt! Auch weil ich gemerkt habe, dass ganz reale Politik aus der Sicht eines Schwulen, beruflich erfolgreichen, Mannes in meiner Partei niemanden interessiert.

Im abgelaufenen Jahr wurde ich dann gebeten am Stand auf dem CSD in Stuttgart den Stand der Schwusos zu verlassen, weil ich mich nicht damit einverstanden erklärt habe (und dieses sachlich begründet habe), dass sich die ehemalige Arbeitsgemeinschaft der Schwulen und Lesben in der SPD, die ich um sie vor dem Untergang zu schützen übernommen hatte, nur noch um Transsexuelle und Intersexuelle und vermeintlich Geschlechtsneutrale kümmert, und Schwule, Lesben und Bisexuelle vernachlässigt (O.k. mit den Lesben, die dann eigentlich Frauenrechtlerinnen waren hatte ich so meine Kämpfe ausgestanden und manchmal auch verloren, was aber o.k. ist). Auch durfte ich bei einem Besuch in Stuttgart feststellen, dass ich Hausverbot in der Gaststätte des Vorsitzenden des Ortsvereins Stuttgart-Mitte der SPD habe! Ich habe nie ausgesprochen, dass er nach meiner Meinung nach hauptsächlich davon lebt, Osteuropäische prostituierte Männer unter anderem mit den Spielautomaten auszunehmen – ich habe auch nie offiziell erzählt, obwohl ich von Beispielen aus deren Erklärung weis, dass er junge Männer aus Osteuropa zu sich holt, die nach dem er ihnen überdrüssig wurde Stricher in anderen Städten in Deutschland wurden.

Jetzt lebe ich hier in einer Großen Kreisstadt in Oberbayern und die Grenze zur Landeshauptstadt München ist nur ein paar hundert Meter weit entfernt. Ich habe in diesem Jahr politisch jedoch viel gelernt!

Im hiesigen Ortsverein der SPD ist man von realer Politik extrem weit entfernt – Ein Fall (Park für ein Immobilienobjekt opfern) wäre vielleicht sogar ein Fall, dass man überprüfen könnte ob die Stadträte der SPD aufgrund von persönlichen Interessen oder Zusendungen dann nicht ganz so unvoreingenommen abstimmen würden – aber auf jeden Fall gewohnt ist, nur Opposition zu spielen. Die gesamte BayernSPD ist da nicht viel besser – von realer Politik ist man extrem weit entfernt, und verzweifelt versucht zum Thema Sozialromantik die Grünen*innen zu überholen, ohne auch nur an irgendwelche Gesellschaftlichen oder Finanziellen Folgen zu denken.

Nun, ich werde die SPD nicht verlassen! Jobmäßig hoffe ich einfach darauf, dass irgendwie alles einigermaßen gut wird, vor allem darauf, dass ich ihn nicht verliere, oder dass er sich zu sehr zu meinem Nachteil verändert! Im übrigen, und das ist fast lustig – der Großteil der Hauptverwaltung des Konzerns in Deutschland ist in Leinfelden-Echterdingen – also vor den Toren meines alten Zuhauses!

Weihnachtsfrieden

Immer wieder wollen uns irgend welche Aktivisten erzählen, dass wir Weihnachten nicht feiern sollten, weil es ja irgend jemanden brüskieren könnte.

Ich möchte hier einfach einmal nur darauf hinweisen, dass das Fest, das wir zu Ehren des Wanderpredigers Jesus von Nazareth feiern, in 1914 in der Lage war, einen Weltkrieg für ein paar Tage anzuhalten!

Wenn ein Ereignis es wert ist, es zu feiern, dann ist es ein Fest, das in der Lage ist Weltkriege anzuhalten, auch wenn es nur für ein paar Tage anhält!

Hier in Bayern bezeichnen wir die Zeit vor Weihnachten als die Stade Zeit – also die Zeit, in der alles etwas ruhiger ist als sonst.

Es ist der dunkelste Monat im Jahr – wir reagieren darauf, in dem wir in die Nacht ein paar Lichter hinaus schicken, egal ob eine Kerze am Fenster oder eine helle Beleuchtung am Haus.

Viele von uns wünschen in der Staden Zeit zum Beispiel der Kassiererin im Supermarkt bewusst beim gehen einen Schönen Tag.

Viele unserer inzwischen fast alt eingesessenen Mitbürgern mit Ö und Ü im Familiennamen genießen inzwischen unseren Brauch zu Ehren von ‏عيسى بن مريم (arabisch für Jesus von Nazareth) und feiern ihn ganz selbstverständlich mit uns!

Nur von unseren ganz tollen politischen Aktivisten wird uns erzählt, dass es ganz böse sei, dieses Fest zu feiern, so wie wir es von unseren Eltern, Großeltern und Urgroßeltern gelernt haben. Leider sind die sehr laut!

Ich lasse es mir von denen aber nicht verbieten, in der dieser Zeit ein bisschen ruhiger zu werden, ich lasse es mir nicht nehmen, daran zu glauben, dass vor der Herter in der Pestzeit in Villingen wirklich den Eid vor Gott geschworen hat, weswegen in der Stadt der Kuhreigen in der heiligen Nacht bis heute in der Stadt auf einem sehr alten Herterhorn vor Zehntausenden Zuhörern ohne Lautsprecher gespielt wird.